Dateline: Sesen Episode 8

Inoffizielle Sesen Gouverneurin, Tentopet Jones, ermordet. New United Journalist, Ulla Yadav, am Tatort.

Zwei Leibwächter eilten zu Yadav, ein Mann und eine Frau und zogen sie von der Straße weg. Die anderen taten dasselbe mit Jones, außer dass sie Schutz auf der gegenüberliegenden Straßenseite suchten.

Schreie erhoben sich von links und rechts als Zivilisten in die Häuser liefen.

Vordächer waren selten – die meisten Gebäude hatten nicht einmal angemessene Dächer mit Regenrinnen oder irgendeine Art Randabschluss. Yadav drückte sich selbst gegen die Seite eines Gebäudes. Die Leibwächter schwenkten, die Hausdächer absuchend, ihre Waffen.

Jones rief nach Yadav, wurde aber schnell von ihrem Sicherheitsteam eine Gasse hinunter und außer Sichtweite gezogen.

Ich wusste es, fluchte Yadav zu sich selbst. All der Friede, Freude Eierkuchen, Ich-bin-für-das-Volk-da-Blödsinn war genau das – Erfunden. Jemand hatte gehört ihr furchtloser Anführer stolzierte im Stadtzentrum und hatte entschieden, dies wäre eine gute Zeit für Zielübungen. Yadav mochte es nicht, so nahe an einen Attentatsversuch zu geraten.

Mit der Gouverneurin auf dem Rückweg zu ihren Elfenbeinturm, ließ Yadav sich erst mal tief Luft holen. Als ihr Leibwächter aus dem Schatten trat, ging er hart zu Boden. Das rata-tat-tat der aufeinanderfolgenden Schüsse schallte zwischen den Zementgebäuden herum. Die Leibwächterin zog ihren Kameraden zurück und lehnte ihn gegen das Gebäude.

Ein schweres Gurgeln entrang seinen geöffneten Mund. „Bleib bei mir, halte deine Augen offen,“ rief die Frau und schlug gegen seine Wange. Im nächsten Moment glitt er zur Seite, leblos.

Haddix´ Gesicht blitzte vor Yadavs Augen auf.

Warum war der Attentäter nicht der Gouverneurin  gefolgt? Wer war denn noch als Ziel übrig?

Sie hockte sich selbst hin und suchte die Dächer nach Anzeichen von Bewegungen ab. Da –da! Eine dunkle Gestalt, vier Gebäude weiter. Sie bewegte sich und offenbarte einen langen Gewehrlauf. Yadav zerrte grob am Kragen der Leibwächterin. „Da drüben.“

„Verdammt. Hier lang.“ Die Frau drückte  Yadav hinter sich und um eine Ecke. Sie beobachtete die Gestalt kurz und entschied danach nicht anzugreifen. „Folgen sie mir,“ sagte sie, ergriff Yadav am Jackenaufschlag und blickte ihr direkt in die Augen. Die Frau war blond und hatte ein kindliches Gesicht. Aus der Ferne, ohne den schweren Helm und Schutzweste hätte sie Yadav nie für ein Militärtyp gehalten. Doch so nah erstrahlte ihre ganze Erscheinung in Autorität. „Bewegen sie sich nur wenn ich es sage. Wenn ich stopp Rufe, heißt das sofort, verstanden?“

„Verstanden!“

Sie deutete die Straße hinunter. „Bewegung!“

Ein Gewirr aus Schatten und Licht umspielte Yadavs Weg, als sie eine enge Passage runter ran. Holzbretter und Stücke von Wellblech bildeten Behelfsbrücken zwischen den Gebäuden. Die flachen, unvollendeten Dächer dienten anscheinend als ein Art  zweites Straßennetz, was hieß der Schütze hatte leichtes Spiel sie zu verfolgen.

Die Leibwächterin rief fortwährend Richtungsangaben. „Links. Rechts. Links. Links.“

Yadavs Atem wurde tief und schwerfällig. Die Luft war zu dünn. Sie fühlte sich benommen, ihre Lippen und Finger kribbelten, aber das Adrenalin trieb sie weiter an.

Das Stadtzentrum und der Gouverneurshügel, entfernten sich mehr und mehr. Schüsse hinter ihr hielten Yadav motiviert, sich an die Anweisungen der Leibwächterin zu halten, aber es gefiel ihr nicht, dass sie in Richtung der Außenbezirke der Stadt gingen.

„Wir brauchen Verstärkung,“ rief die Frau in ihr Funkgerät. „Werden verfolgt von einem einzelnen Attentäter, männlich, Kleidung: vermummt, alles schwarz. Seine Schüsse lassen vermuten, dass sein Ziel –“

Sie wurde kurzerhand unterbrochen, als Projektille von der Zementecke abprallten, nur Zentimeter von Yadavs Kopf entfernt, wobei das rostige Stahlgeflecht darunter freigelegt wurde. Die Leibwächterin stieß Yadav zu Boden, während sie gleichzeitig mit ihrer Energiewaffe nach oben und hinter sich schoss.

Als sie das Feuer einstellte, war alles still. Yadav hustete wegen dem kreidigen Staub, der durch die Luft wehte.

„Ich werde bis drei zählen,“ sagte die Leibwächterin. „Und wenn ich los sage, rennen sie in diese Türöffnung da vorne. Sehen sie sie?“

Yadav reckte ihr Kinn aus dem Dreck. Ein offener Eingang lag etwa zwanzig Meter entfernt, von ihr aus auf zwölf Uhr. „Ja.“

„Ich gebe ihnen Feuerschutz. Zögern sie nicht. Sprinten sie direkt durch. Ok auf geht’s. Eins. Zwei. Drei.!“ Sie riss Yadav am Nacken ihres Anzugs hoch und gab ihr dann einen Stoß vorwärts.

Die Geräusche von entgegengesetztem Feuer klingelten in ihren Ohren, als sie rannte, während sie sich völlig verausgabte, um die Distanz in Rekordzeit zu überbrücken. Der schwarze Schlund der Türöffnung verschluckte sie und die Kühle des Gebäudeinneren fühlte sich an wie eine sichere Hülle.

Das Licht draußen schien nun blendend. Yadav schützte ihre Augen, als sie raus sah und darauf wartete, dass die Leibwächterin ihr herein folgte.

Von Wand zu Wand springend, nahm die Frau eine weniger direkte Route, heran bis zu den letzten Metern. Sie stürmte vorwärts, sich nach der Ziellinie streckend – aber stürzte darüber mit einer unnatürlichen Wucht.

Zuerst sah es danach aus, als wäre sie durch die Türöffnung gesprungen, aber sie traf mit dem Gesicht voran auf den Boden auf und sackte wie ein Sack voller Steine zusammen. Yadav kniete sich neben sie hin, aber die Leibwächterin regte sich nicht.

Eine feine Rinne Blut bildete einen geschwungen Pfad den Nacken der Frau hinunter. Sachte entfernte Yadav ihren Helm.

Der Oberteil ihres Nackens ist durchbohrt worden, genau da wo die Wirbelsäule auf den Schädel traf. Yadav vermutete sie war tot, bevor sie den Boden erreichte.

Mit zitternden Händen nahm Yadav den Helm auf und sicherte ihn auf ihren eigenen Kopf. Als nächstes rollte sie die Leiche herum und schnallte die Weste los. Als sie los war warf sie sie über ihre enganliegende Jacke.

Sie wusste, sie sollte das Funkgerät benutzen um Hilfe zu rufen. Sie wusste, sie sollte an Ort und Stelle bleiben bis Unterstützung eintraf. Sie wusste, sie sollte ihren Kopf unten und im Dunkeln halten.

Aber sie wusste auch, dass sie nichts davon tun konnte.

Yadav musste rausfinden warum jemand auf diesen schäbigen Planeten sie tot sehen wollte.

Die Waffe aufnehmend, hockte sie sich hin und sah nach draußen durch die Bretter über ihr. Blassblauer Himmel war zu sehen, trotz der dicken Staubschicht. Etwas raschelte über der Tür wie Taubenflügel. Aber sie hatte keine Tauben – oder sonstige städtische Vögel irgendeiner Art – auf Sesen gesehen.

Ein Schritt aus dieser Tür und er hätte sie.

Vielleicht gab es einen anderen Weg. Bretter verdeckten die meisten Fenster und Fragmente hingen an verrosteten Nägeln am Türpfosten. Es war ihr nur deshalb Möglich reinzukommen, weil die Tür gestohlen worden war.

Licht schienen wie Silberstreifen durch die Bretter über einem Fenster zu ihrer Rechten. Wenn sie es öffnen könnte – leise – ist es ihr vielleicht möglich auf diesen Weg raus zu schlüpfen.

Schnell tastete sie ihre neue Weste ab. Klamme Finger gaben ihr keinen guten Gripp an den Taschenklappen, aber schließlich schlug sie ein paar auf. Eine enthielt Hygienetücher, ein andere Minzdragees. Die dritte hatte eine frische Batterie. Die vierte eine Granate irgendeiner Art.

Was sie wirklich brauchte war eine Ablenkung.

Die schwarzen Schuhe der Leibwächterin zogen ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie waren viel angenehmer und besser geeignet für das Entkommen vor einem Schützen, als die Pumps, welche die Gouverneurin ihr geliehen hatte.

In der Hoffnung, dass sie es mit einem geduldigen Attentäter zu tun hatte, zog sie der toten Frau die Stiefel aus. Beim Zuschnüren bemerkte sie wie rutschig die Plastikpumps waren. Sie gab einem Schuh einen probeweisen Schubs und er schlitterte weit über den Zementboden.

Ah-ha.

Sie stählte sich für den Rausch des Kampfes, als sie die drei Meter zum Fenster schlich, mit einem Schuh in der einen Hand und der Waffe in der anderen.

Drei. Zwei. Eins. Sie warf den Schuh um die Ecke, so dass er über den Boden flog und durch die offene Tür. Der Schütze schluckte den Köder und als er zu feuern begann, tat es auch Yadav.

Das trockene Holz zersprang in dem Angriff zu Splitter, ein enges Loch zum durchkriechen hinterlassend. Sie landete mit einem Schwung in der angrenzenden Gasse. Anstatt zu flüchten, hielt sie die Waffe bereit und  umrundete die Ecke, bis sie den Attentäter sah.

Sie wollte ihn nicht töten, sie wollte ihn befragen. Durch was sie alles für ein Interview gegangen war. „Hey!“

Er wirbelte herum und erstarrte, aber nur für einen Augenblick der Unsicherheit. Würde er schießen? Nein. Er rann.

In Bruchteilen von Sekunden, vom Gejagten zum Jäger geworden,0 nahm sie die Verfolgung auf. Mit jedem Atemzug entfloh ein weiterer Fluch ihrer rissigen Lippen. Die neuen Stiefel, obwohl eine Nummer zu groß, griffen gut im Dreck und halfen ihr Schritt zu halten.

„Stopp,“ rief sie ihn wieder an. Überraschenderweise gehorchte er – aber nur um das Feuer zu eröffnen.

Ihre Rollen wechselten wieder. Warum hatte sie nicht einfach ihre Klappe gehalten?

Eine verzinkte Regentonne war ihr einzige Chance auf Zuflucht. Aus einer kauernden Position heraus ließ sie einen Satz Schüsse in die etwaige Richtung des Attentäters los.

Er stieß weiter vor. Die Schüsse kamen näher. Sie musste fliehen.

Einige Male schlug Yadav zurück und überraschte ihn, aber er behielt schließlich immer die Oberhand. Und sie entfernten sich immer weiter von den anderen Leuten – in eine Nachbarschaft voller halbeingestürzter Häuser. Einige Wände hatten sich völlig von ihren Stahlstreben gelöst.

Graffiti bedeckte alles. Auf der Straße, zu der Jones sie mitgenommen hatte, waren die Dinge vielleicht am Einstürzen, aber sie waren sauber. Die Leute zeigten ein gewisses Maß an Stolz in ihre Umgebung.  Nicht so hier. Hässliche schwarze und rote Streifen gab es im Überfluss. In einigen Gebieten war derselbe Quadratmeter Wand wieder und wieder überdeckt worden – eine Gang versuchte die andere zu tilgen.

Yadav ergriff erneut die Initiative. Sie wollte, dass es aufhört, wollte ihn dazu bringen da zu bleiben, wo er war. Erneut durchsuchte sie die Weste.

Yadav holte die Granate hervor. Sie lag schwer in ihrer Hand und war kalt wie ein Flussstein. Sie bemerkte, dass sie sich von den explosiven Granaten, mit denen sie vertraut war, unterschied.

Es war keine explosive. Sie hatte eine Schall-Granate – ein friedenstiftendes Werkzeug. Es sendet einen starken Stoß von Niedrigfrequenz-Klängen aus, gemacht um Menschen von den Füßen zu holen, Organe zusammenzudrücken und Übelkeit hervorzurufen. Perfekt um einen Möchtegernattentäter von seiner Verfolgung abzuhalten.

Der Attentäter schwang sich über einen großen Spalt, von einem zerfallenden Dach zum nächsten. Yadav nutzte ihre Chance. Sie drückte den Knopf und lupfte die Granate mit aller Kraft. Sie prallte auf das gewellte Metall zu seinen Füßen. Er hielt überrascht inne.

Yadav zog sich in die fötale Position zusammen, mit ihrer Nase zum Boden und mit ihren Händen ihren Kopf schützend.

Ein tiefer Schlag stieß durch ihre Muskeln. Es drückte die Luft aus ihrer Lunge, aber ließ sie ansonsten unberührt. Als sie wieder stand, schützte sie ihre Augen gegen die Sonnenstrahlen und überblickte die Oberseite des Gebäudes. Der Mann war nirgendwo zu sehen.

Er musste aus dem Gleichgewicht gebracht worden und anschließend gefallen sein.

Yadav rannte um die Ecke und keuchte. Er lag auf seinen Rücken, hang über dem Boden, mit etlichen freiliegenden Stahlstreben aus seiner Brust herausragend.

Fortsetzung folgt…

Übersetzung: Cyan

von www.star-citizen-news-radio.de

Original:https://robertsspaceindustries.com/comm-link/spectrum-dispatch/13635-DATELINE-SESEN-Part-Eight


// End Transmission

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