Einer von Milliarden Episode 5 – von Garrit Soldner –

„Überanstrengen Sie sich nicht, Lieutenant“ kam es von der Seite. Garrit drehte den Kopf leicht und sah, dass Cheftechniker Adams ihn musterte. Der Mann mit der Figur eines Fasses hatte lichtes, rotblondes Haar, einen dicken Schnauzer und grüne Augen. In der simplen Sportkleidung der Navy wurde sein Bierbauch noch besonders betont. „Keine Sorge, Sir. Ich verausgabe mich schon nicht so sehr, dass ich nachher nicht helfen könnte.“ Der Techniker grinste nur und ging dann zu einem der Laufbänder, ein Stück zur Rechten von Garrit. Also widmete er sich wieder der Hantel und stemmte weiter. Die Wunden waren in den vergangenen Wochen gut und ohne Narbenbildung verheilt. Nur die Narbe über dem rechten Auge war geblieben. Nicht weil es nicht behandelt hätte werden können, sondern weil er der Meinung war, dass von einem harten Kampf sichtbare Narben zurückbleiben müssen, um einen daran zu erinnern nächstes Mal vorsichtiger zu sein und besser zu kämpfen.

Nachdem er seine Trainingseinheit zu Ende gebracht hatte, setzte er sich auf und tupfte sich mit dem Handtuch, das er sich bereit gelegt hatte, Gesicht und Stirn ab und trank danach einen Schluck isotonisches Wasser. Erst als sich sein Puls langsam beruhigt hatte, blickte er sich im Raum um. So ungern er gezwungen war am Boden zu bleiben, war es auch eine positive Erfahrung. Damals, vor einigen Jahren, als er zum Ersten Mal seinen Dienst auf einem Schiff der Navy antrat, hatte er noch alles wahrgenommen. Die unzähligen Crewmitglieder, die tagtäglich hart dafür arbeiteten, um die Kolosse aus Stahl am Laufen zu halten. Die vielen, vielen Techniker, Mechaniker, einfachen Spacemen, Spezialisten und Zivilisten, die sich um alle Belange kümmerten, damit die Piloten fit und ihre Maschinen bereit waren zu starten. Das alles, hatte er seit geraumer Zeit nicht mehr wahrgenommen. Es gab nur noch die Missionen, das Fliegen und seine Wingmen.

Doch seitdem er sich irgendwie auf dem Schiff nützlich machen musste, während er auf die Heilung seiner Knochen und die Zustimmung des Doktors warten musste. Zuerst hatte man ihn mit Büroarbeit abgespeist um ihn zu schonen. Antragsbearbeitung, Missionsberichte kontrollieren und andere Papierarbeit. Dann folgten leichte körperlichen Arbeiten – vor allem das Flugdeck durfte er mehr als einmal schrubben, dafür hatte Commander Dobovitch gesorgt. Nachdem die Heilung gut zu verlaufen schien, gab man ihm vor einer Woche das Okay sich auch endlich etwas anstregendere Arbeiten zu verrichten, so dass er momentan den Technikern und Mechanikern auf dem Flugdeck unter die Arme griff, um die Maschinen am laufen zu halten. Und das war auch nötig geworden, da die Vanduul nicht die einzigen waren, die in diesem Teil des Weltraums für Probleme sorgten. Piraten, Schmuggler und Sklavenhändler trieben in den Randgebieten ihr Unwesen, um ihren kriminellen Machenschaften abseits des Radars der UEE nachzugehen. Natürlich galt dies nur, wenn nicht gerade ein Träger der Navy dort stationiert war. So gesehen, waren die Begegnungen mit den Verbrechern absehbar gewesen und dass sie in Gewalt endeten ebenso. Auch wenn ihre Schiffe nicht mit der Feuerkraft von Militärjägern mithalten konnten, waren sie zahlreich, kannten das Terrain und kämpften oft mit dreckigen Tricks. Zum Glück waren bisher keine Opfer auf der Seite der Navy zu verzeichnen – nur beschädigte Schiffe und langsam schwindende Vorräte an Raketen und Ersatzteilen. Doch es war ein Grund mehr, warum seine Hilfe auf dem Flugdeck wirklich geschätzt wurde.

Nachdem er geduscht hatte und seinen Fliegeranzug angelegt hatte, ging er zum Flugdeck. Er hatte noch eine Stunde bis zum Dienstantritt, aber Sayako dürfte bald von ihrer Patrouille zurückkehren. In der ersten Woche hatten sie sich noch regelmäßig gesehen, doch die Situation da draußen wurde brenzliger, die Piloten hatten immer dichtere Dienstpläne und die Möglichkeiten die Pläne so zu legen, dass man viel gemeinsame Freizeit hatte, wurden immer weniger. Umso wertvoller wurden diese kurzen Momente, in denen sie sich trafen. Als er auf das Flugdeck traf, sog er den Eindruck in sich auf. Die umtriebigen Techniker und Mechaniker, die Teile austauschten, die Systeme überprüften und neue Raketen an den Halterungen der vielen Hornets, Gladiators und sogar einer kleinen Anzahl Retaliators anbrachten. Die Piloten, die in ihren schweren, militärischen Pilotenkombis zu oder von ihren Maschinen kamen und die Geräusche der Maschinen. Triebwerke die aufheulten oder langsam herunterfuhren, Elektrowerkzeuge, die Dinge an oder abschraubten, Pumpen, die Treibstoff in die Tanks beförderten und das dumpfe Brummen der Schiffsmaschinen, die durch die Lüftungsschächte der Talon hallten. Und dann war da natürlich der Geruch…Öl, Schmiermittel, heißes Metall. Klassischer Werkstattgeruch, der an Zeiten erinnerte, als man nicht schon fast ein Studium abgeschlossen haben musste, um sich an seine Maschine zu wagen.

„Hey Lieutenant“ grüßte ihn eine junge Mechanikerin beim Vorbeilaufen, eine Gravplattform mit einigen Panzerplatten vor sich her treibend. „Hi Sandra“ grüßte er die junge Frau mit Ölverschmierten Händen und Gesicht zurück und ging ein paar Schritte zur Seite, wo er Niemandem im Weg stand und beobachtete einfach das Treiben um sich herum. Es war schon erstaunlich, wie schnell und effektiv die Mechaniker hier mit den gewaltigen Kriegsmaschinen umgingen. Geradezu bewundernswert und doch nahm man als Kampfpilot nicht mehr davon wahr, als gerade nötig. Man kannte meistens den Cheftechniker und die Leute, die für die eigene Maschine zuständig waren und den Rest hatte man vielleicht mal gesehen. Aber so war nun mal das Leben. Die Gedanken eines Piloten kreisten eher um Manöver, Waffenkonfigurationen und den Nervenkitzel des Raumkampfs, als um die hart arbeitenden Männer und Frauen, die erst ermöglichten, dass sie da raus konnten, ohne dass ihnen die Maschinen unter dem Hintern in ihre Einzelteile zerfielen.

Über all dies dachte er nach, während er sich weiter in Richtung der Maschinen seiner Staffel bewegte und dabei den Kopf hin und her wandern ließ, denn ein Flugdeck war ein gefährlicher Ort, an dem man sich schwer verletzen konnte, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort stand. Nach etwa zwei Minuten in denen ihm mindestens ein halbes Dutzend Mal jemand beinahe über die Füße gefahren oder ihm in die Hacken getreten war, erreichte er Adams, der selbst in seiner etwas unterdurchschnittlichen Kondition schneller war, als der angeschlagene Pilot. „Ah da sind sie ja Lieutenant. Dann mal frisch ans Werk mein Junge“ grüßte und kaute dann weiter auf Kautabak herum. „Hornet #1437 hat eine volle Breitseite bekommen. Hat beinahe den linken Flügel abgerissen. Müssen den Flügel wohl abmontieren, retten was zu retten ist und einen Neuen dran schrauben.“ Neugierig betrachtete er den Schaden an der Hornet und musste beim Anblick leicht zusammenzucken. Eine volle Breitseite…mit einer scheinbar großkalibrigen Waffe. Der linke Flügel war von faustdicken Löchern perforiert worden. Dem Dreck um die Löcher herum sah er an, dass mindestens drei Flüssigkeitsleitungen getroffen worden waren und er sah ebenso dass mehrere Kabel lose heraushingen. Ein Wunder, dass der Pilot es zurück geschafft hatte. „Nummer #1437…das ist Nightingale’s Maschine. Ist sie wohl auf?“ Adams nickte mit einem breiten Grinsen. „Dieses Weib ist härter als der Stahl aus dem dieses Baby gebaut worden ist. Wenn man sie nicht gerade mit einem Raketenwerfer trifft, wird sie nichts umbringen.“ Ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Wie sehr er damit doch recht hatte – sie hatte immerhin eigenhändig einen Vanduul im Nahkampf besiegt.

„Gib mir mal die Kreissäge“ meinte Adams einige Minuten später, als sie die Waffen und Raketen vom Flügel entfernt und das gesamte Konstrukt abgestützt hatten. Garrit wandte sich dem großen, fahrbaren Werkzeugschrank zu und holte die große Säge raus, die laut Adams mit genügend Zeit sich selbst durch das schwerste Schott der Talon sägen konnte. „Schutzbrillen und Ohrschutz drauf, denn gleich fliegen die Funken!“ Der Blick in den Augen des dicklichen Mannes machte Garrit für einen kurzen Moment Angst und er fragte sich was er wohl mit einem Feind machen würde, wenn er ihn in die Finger kriegen würde. Bevor er weiter drüber nachdenken konnte, setzte Adams bereits das Sägeblatt an und Garrit blieb nichts übrig als eilige dem Hinweis nach zu kommen und seine Augen und Ohren zu schützen – und nicht umsonst. Kaum heulte das Gerät los, flogen bereits Funken in alle Richtungen und der Lärm vibrierte in seinem gesamten Körper. Es war wirklich faszinierend zu sehen, wie ein so vergleichsweise simples Gerät sich durch die fortschrittlichen Legierungen fraß und nach einer guten halben Stunde sich der ruinierte Flügel sich mit einem metallenen Ächzen vom Schiff trennte und nur noch auf den Stützen lastete. „So jetzt vorsichtig die Plattformen drunter, damit wir den Flügel abtransportieren und auseinander nehmen können.“

So verging der gesamte Nachmittag und als Garrit Abends seinen Dienst beendet hatte, war er von Kopf bis Fuß mit Dreck in verschiedensten Farben bedeckt und völlig geschafft. Trotz aller Technik, die man sich zur Nutze machte, war es ein schweißtreibender, anstrengender Job – besonders so weit draußen mit begrenzten Mitteln. Müde und ermattet schlurfte er zurück zu seinem Quartier, zwang sich in die winzige Dusche um den Dreck des Tages abzuwaschen und ließ sich dann einfach ins Bett fallen, um umgehend einzuschlafen. Irgendwann spät in der Nacht ging die Tür auf und Kat kam herein, um auf leisen Zehen zum Bett zu schleichen und sich neben ihn zu legen. Fahrig öffnete Garrit seine Augen, legte seine Arme um seine große Liebe und hauchte ihr einen feuchten Schmatzer auf die Stirn. „Hmmgh hafsch….hrmm…“ murmelte er, nicht wirklich wach genug um einen verständlichen Satz zu äußern, doch Kat lächelte nur, legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen, hauchte ein „Schhhh…“ und küsste ihn dann sanft, bevor sie sich an ihn schmiegte und ihm sanft den Rücken streichelte. „Schlaf ruhig weiter…wir können morgen reden.“
Mit dieser Bestärkung brauchte er keine weitere Ermutigung um sofort wieder einzuschlafen.

Doch als er Morgens aufwachte und nach Kat fühlte…war sie weg und er lag allein dort, eine Notiz in Kats Handschrift lag auf dem Nachttisch. „Sorry, habe ganz vergessen dass ich einen Termin habe. Mittagessen in der Kantine? xxx Sayako“. Er schluckte den bitteren Beigeschmack der Enttäuschung herunter, wusste er doch, dass es nur zeitweise so war. Sobald er wieder flugtauglich war, würden sie wieder den selben Dienstplan haben und könnten wieder Zeit miteinander verbringen. Bis dahin musste er sich einfach anstrengen, so viel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen und die ihm aufgetragenen Arbeiten gewissenhaft zu erfüllen. Und da fiel ihm erst auf, dass er vergessen hatte seinen Wecker zu stellen. Er starrte ungläubig auf die 9 vor der 24 und sprang auf, um sich hastig anzuziehen, das Zähneputzen und das Bart-Trimmen zu überspringen und zum Flugdeck zu hetzen. Er hatte noch nie zuvor verschlafen…Selbst wenn Adams ein kumpelhafter Kamerad war, sah das beim CAG ganz anders aus.

TO BE CONTINUED


// End Transmission

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