Einer von Milliarden Episode 4 – von Garrit Soldner –

Träge, als würde alles in Zeitlupe ablaufen, schlug Garrit die Augen auf. Dabei fühlten sich seine Lieder merkwürdig schwer an. Sein Kopf wurde im Takt seines Pulses von pochenden Schmerzen durchzuckt.
Blendendes Licht ließ ihn Blinzeln und er schloss die Augen wieder. Scheinbar war das für denjenigen, der über ihn gebeugt stand, nicht gut genug, denn er bekam eine schellende Ohrfeige, die die Benommenheit durch kribbelnden, warmen Schmerz ersetzte. Aber das war gut…es bedeutete dass er lebte. „Aufwachen Soldat!“ kam die laute Stimme von Nightingale und er war in seinem Leben nie so froh gewesen, die harten Züge seiner Vorgesetzten zu sehen. Er versuchte aufzustehen, doch glühend heißer Schmerz durchzuckte seinen gesamten Brustkorb und ihm blieb die Luft weg. „Vorsichtig…langsam…“ Er blickte Nightingale fragend an und erst jetzt fiel ihm auf, dass ihre linke Gesichtshälfte von Blut überströmt war. Ein grässlicher Schnitt zog sich über ihren Kopf, ihr langes, eigentlich immer streng zum Pferdeschwanz gebundenes Haar war wild zerzaust und von weiterem Blut verklebt. Ihre rechte Wange war geschwollen und das Auge blau und aufgedunsen, als wäre sie der Faust eines Profi-Boxers begegnet. Dennoch verzog sie keine Miene, als sie Garrit beim linken Arm packte, sich diesen über die Schulter legte und ihm vorsichtig beim aufstehen zu helfen. „Sie hatten Glück, Soldner. Ich dachte schon er hätte ihnen das Rückgrat gebrochen mit dem Hieb. Scheinbar hat sie der Jumpsuit davor bewahrt, aber ich habe mehrere gebrochene Rippen ertastet…“ Sie sprach ruhig und gefasst. Garrit konnte nicht umher sich nach dem Vanduul umzusehen. Die große Gestalt des Außerirdischen lag in einer Ecke des Saals. Blut war aus vielen Wunden geströmt, die Röhren und Kabel, die der Lebenserhaltung galten, waren mit bloßen Händen herraus gerissen worden – fleischige Klumpen hingen an den Enden und fehlten entsprechend an den Stellen, an denen sie in den Körper übergegangen waren. Selbst jetzt, wo die Augen erstarrt und kalt waren, sprühten sie geradezu vor Hass.

Nightingale bemerkte den Blick und grinste ihn an. „Zäher Mistkerl…aber er ist eben ein Kerl gewesen…ein guter Hieb mit einem Feuerlöscher in den Schritt und er lag winselnd am Boden…der Rest war dann recht einfach…Männer scheinen bei allen Spezies furchtbare Weicheier zu sein…“
Für einen Moment blickten sie sich ernst an, dann grinsten beide und gingen ein paar Schritte, ehe Nightingale ihn losließ. „Wir müssen den Überlebenden mitnehmen. Geben Sie mir Deckung, ich stütze ihn.“ Dabei nahm sie die verloren gegangene Laserpistole von ihrem Gürtel und drückte sie ihm in die Hand. Garrit humpelte unter Qualen weiter, die Pistole in der rechten Hand erhoben, der linke Arm um die eigene untere Brust geschlungen, um die verletzten Rippen zu schützen. Jeder Schritt sandte eine Welle heißen Schmerzes durch seinen Körper, doch dort bleiben war keine Option. Der Qualm hatte zugenommen und zu allem Überfluss war seine Atemmaske beschädigt. Wenigstens hatte das Blut, das aus der Wunde über dem rechten Auge gequollen war, den Riss fürs erste verstopft…aber es würde ihn nicht vor dem Ersticken bewahren. Entsprechend konzentrierte er sich auf das, was man ihm bei der Grundausbildung beigebracht hatte: Schmerz war dein Freund. Es bedeutet, dass man lebt und der Körper noch genug Kraft zum Weiterkämpfen hat.

Scheinbar endlose Minuten später erreichten sie den Hangar, an dem die anderen Piloten schon warteten. „Verdammt…was ist denn mit euch passiert?“ kam die verblüffte Frage von Gustav Rucci, einem Mann mit so vielen Wurzeln, dass es schwer war zu beschreiben, woher seine Vorfahren wohl gestammt haben mochten. Er hatte dunkle Haut, Mandelaugen und die Gesichtszüge eines Europäers, rotblonde Haare und eine kräftige, knollige Nase.
„Ein Vanduul. Aber statt zu gaffen, können Sie sich mal nützlich machen, Rucci!“ Nightingale seufzte erleichtert, als ihr die Last genommen wurde. Sayako Wong, die selbe Sayako, mit der er eine intime Beziehung führte, kam wie von selbst an seine Seite und stützte ihn mit besorgtem Blick. Er zuckte einfach entschuldigend mit der Schulter, holsterte die Pistole und bereute jede Bewegung im Vorraus. Der Gedanke an den Rückflug ließ ihn schon jetzt bleich werden. „Du Idiot…“ murmelte sie vorwurfsvoll und ein Blick zu ihr verdeutlichte ihm, dass sie wirklich wütend war, dass er sich so in Gefahr gebracht hatte. „Tschuldige…“ kam seine gedämpfte Antwort. Er wollte nicht streiten und zur Zeit hatte er auch einfach nicht die Kraft dafür…er wollte nur noch zurück zur Talon und schlafen.

Das Einsteigen in die Hornet war kein einfaches Unterfangen. Nur mit der Hilfe von Sayako und Rucci gelang es ihm vorsichtig einzusteigen und sich nicht weiter zu verletzen. Dann halfen die beiden Nightingale dabei den Überlebenden in einem herbei gefunkten Bomber zu verstauen. Erst als sie aus dem Hangar der Station hinaus in den freien Raum glitten entspannte er sich. Mit der Last der Gravitation, die von seinem Körper ließ, wich auch ein Teil des Schmerzes. Es blieb ihm nur zu hoffen, dass auf dem Heimatflug keine Komplikationen auftraten, denn rasante Flugmanöver waren für ihn schlicht nicht drin. Er wusste ganz genau, dass eine hohe G-Belastung bedeuten würde, dass sich seine eigenen Knochen in seine Organe bohren und ihn töten würden.

Niemand unter den ganzen Piloten sprach nur ein Wort. In enger Formation flogen sie einfach heim, um ihre Wunden zu lecken und die verlorenen Leben zu betrauern. Ein ganzer Trupp Marines war fort. Männer und Frauen, mit denen sie seit Wochen und Monaten gedient hatten. Die sie mit Namen kannten und die die Besten der Besten waren.
Die Stille reichte jedoch nur einige Augenblicke, denn die Anzeigen im Schiff heulten auf, als ein enormer Energieanstieg auf Achtern festgestellt wurde. „Weg! Weg von der Station! Sie geht gleich in die Luft!“ rief jemand über den Funk und niemand ließ sich bitten die Nachbrenner zu aktivieren und so viel Abstand zu erhalten wie nur möglich. Auch Garrit nicht, der die Zähne zusammen biss, als die Beschleunigung ihn in den Sitz drückte und seine Brust vor Schmerz zu explodieren schien. Kurz darauf begannen Flammen aus den Öffnungen der Asteroidenbasis zu schießen. Mehrere Dutzend Meter weit reichten sie, bevor das massive Gestein dem Druck nachgab und die Basis in Abertausende, verbrannte Fragmente gesprengt wurde.
„Diese Bestien…“ murmelte Kat. Es war wirklich dringend Zeit, dass sie zurück zum Schiff kamen.
„Befehl bleibt bestehen. Zurück zur Talon“ kam die Anweisung von Nightingale.

TO BE CONTINUED


// End Transmission

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.